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Wo beginnt deine Wirklichkeit?

Jeder von uns sieht die Welt aus seiner Brille. Jeder wirft den Begegnungen, Erfahrungen seines Lebens seine Gedankennetzen über. Daraus entwickeln wir unsere Wirklichkeit. Wirklich ist das, was du als deine Realität definierst. Wirklich ist das, was du glaubst, warum etwas passiert, was es für dich bedeutet und was daraus für deine Zukunft folgt. Da Wirklichkeit in jedem Augenblick entsteht, braucht es Augenblicke der Ruhe, um seine Wirklichkeitskonstruktionen zu erkennen.

Vielleicht denkst du jetzt an Meditation und wendest dich gedanklich bereits wieder ab. Dafür hast du keine Zeit. Diese Sitzstellung bereitet dir Schmerzen. Ich kann dich beruhigen, du brauchst nicht zu meditieren, um mehr über deine Wirklichkeit zu erfahren. Du kannst sofort anfangen, ohne etwas an deinem Alltag zu verändern. OK, eine Kleinigkeit wäre da doch:

»Wenn du bereit bist, dich selbst, dein Bewußtsein und dein Handeln anzuschauen, kannst du den Humor zurück gewinnen, den du im Lauf deines Lebens verloren hast. Schau dir zuerst einmal deine gewohnte häusliche Wirklichkeit an: deine Messer, Gabeln und Teller, dein Telefon, deinen Staubsauger – ganz gewöhnliche Dinge. Sie haben nichts Mystisches oder Außergewöhnliches an sich, aber wenn du keine echte Verbindung herstellst zu deinen Alltagssituationen, wenn du diesem alltäglichen Leben nicht auf den Grund gehst, wirst du niemals Humor und Würde finden – und letztlich auch keine Wirklichkeit.

Wie du dein Haar kämmst, wie du dich kleidest, wie du dein Geschirr abwäscht – all das sind Arten, mit der Wirklichkeit in Beziehung zu treten, und deshalb Ausdruck deines geistigen Gesundheitszustands. Eine Gabel ist natürlich nur eine Gabel, ein Eßwerkzeug. Dennoch kann aber deine geistige Gesundheit und Würde davon abhängen, wie du die Gabel benutzt. Die Shambhala-Weltsicht will ganz einfach ein Anstoß für dich sein, deine Lebensweise, deine Beziehung zum alltäglichen Leben zu verstehen.«

Chögyam Trungpa

Der Alltag besitzt die größte Macht in deinem Leben. Der Alltag wiederholt sich jeden Tag, du erlebst ihn seit vielen Jahren. Mit jedem Tag gleitet er tiefer in dein Bewusstsein. Das hat den Vorteil, dass jede Veränderung deines Alltags mittelfristig deine Wirklichkeit verändert, es verändert dich. Mittelfristig. Es wird sich nichts ändern, nur weil du morgen einmal achtsam deine Kleider zusammen legst. Doch was passiert, wenn du es die nächsten zwei Monate, jeden Tag machst? Wenn du achtsam deinen Partner umarmst, in Gedanken nicht bei der Arbeit, bei deinen Sorgen oder bereits aus der Türe heraus bist? Umarme deinen Partner zwei Monate achtsam.

Probiere es aus, überrasche dich selbst.

Falls dir diese Erläuterung zu abgehoben erscheinen, zu wenig greifbar, so folgt hier eine wissenschaftlichere Begründung:

»Wenn man die Kernthese des Konstruktivismus ernst nimmt, dann muss so ziemlich jedes Lehrbuches umgeschrieben oder zumindest umgedacht werden. Sie lautet nämlich (nach Siebert 1999, Siebert, H.: Pädogogischer Konstruktivismus): Menschen sind operational geschlossene Systeme. Die äußere Realität ist ihnen sensorisch und kognitiv unzugänglich. Sie sind lediglich mit der Umwelt ›strukturell gekoppelt‹, das heißt, sie wandeln Impulse von außen in ihrem Nervensystem um. Die so erzeugte Wirklichkeit ist keine Abbildung der Außenwelt, sondern eine funktionale Konstruktion. Insofern können Menschen auch nicht von ihrer Umwelt determiniert, sondern allenfalls ›gestört‹ oder angeregt werden.«

Bernd Heckmair

Andere Worte, gleiche Botschaft: Du erzeugst deine Wirklichkeit und du kannst sie aus dir heraus verändern. Das Stören, die Anregung erfolgt am besten im Alltag, in Wiederholungen, täglich.

Rilke sagt es mit der wundervollen Leichtigkeit seiner Worte:

»Tage, wenn sie scheinbar uns entgleiten,
gleiten leise doch in uns hinein,
aber wir verwandeln alle Zeiten;
denn wir sehnen uns zu sein …«

Rainer Maria Rilke

Oder Marc Aurel, in einem Satz. Eines meiner Lieblingszitate:

»Auf die Dauer der Zeit nimmt die Seele die Farbe Deiner Gedanken an.«

Marc Aurel

Ich weiß nicht, in welcher Wirklichkeit du heute lebst. Wenn du deine Wirklichkeit verändern willst, verändere deinen Alltag. Es mag einfach klingen, unglaubwürdig, dass es so leicht sein soll. Doch Vorsicht, deinen Alltag zu verändern ist eine größten Herausforderungen. Du glaubst es nicht? Probiere es aus!