Es ist eine scheinbar leichte, unverfangene Frage: »Was macht dich liebenswert?«.Scheinbar, weil sie trügerisch ist und ihr wahres Gesicht erst beim dritten Hinsehen offenbart. Anders formuliert lautet sie: Welche Werte kannst du vorweisen, damit dich jemand liebt? Leicht, weil jeder etwas ›liebenswertes‹ hat, jeder hat eine Antwort auf die Frage, jeder hat seine Antwort (was nicht bedeutet, dass einem die Antwort gleich einfällt). Unverfangen, weil sie alltäglich ist, sie fällt nicht auf, sie ist ›normal‹, sie offenbart ihr Potenzial nicht beim ersten Lesen.
Der Duden beschreibt ›liebenswert‹ mit ›Liebe verdienend‹, das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache schreibt ›hat liebenswerte Eigenschaften‹. ›Liebenswert‹ bist du also, wenn du dir die Liebe verdient hast, indem du liebenswerte Eigenschaften besitzt (oder zumindest vorgibst zu haben). Du musst etwas haben, damit du ›liebenswert‹ bist.
Ich frage mich, warum die Liebe, die ich von anderen erfahre, abhängig von meinen Eigenschaften sein soll. Oder davon, etwas zu haben oder einem mir zugeschriebenen Wert? Warum ist nicht jeder Mensch, einfach nur weil er ist, so wie er ist, liebenswert?
Babys sind wundervolle Beispiele. Die Liebe der Eltern zu ihrem Baby ist nicht an Bedingungen geknüpft, das Baby muss nichts haben oder Eigenschaften vorweisen. Ich kenne niemanden, der sagt, mein Baby ist ›liebenswert‹, weil …
Bei Kleinkindern fangen wir damit an. Es ist ›liebenswert‹, weil es brav ist, weil es gut lesen und schreiben kann, weil es hübsch ist. Jugendliche sind dann kaum noch ›liebenswert‹, weil sie so ›anders‹ geworden sind, das nennen wir Pubertät. Erwachsene empfinden wir selten als ›liebenswert‹, Erwachsene sind einfach da. Oder wann hast du zum letzten Mal einem Erwachsenen gesagt, dass er ›liebenswert‹ ist?
Jeder Mensch ist ›liebenswert‹, jeder, so wie er ist. Ohne etwas zu tun, ohne etwas zu lassen. Einfach weil er ist.
Zum Schluss kommt der schwerste Schritt. Auch du bist ›liebenswert‹, so wie du bist. Und der erste Mensch, der dies glauben sollte, für den dies Wirklichkeit werden sollte, der bist du selbst.
Kannst du dich, so wie du bist, annehmen? Hältst du dich für ›liebenswert‹, einfach weil es dich gibt?
Was antwortest du jemanden, der dich fragt: »Was macht dich ›liebenswert‹?«