Erfolg verbinden wir gerne mit Reichtum. Wenn es jemanden ›zu etwas gebracht‹ hat, dann gehen wir davon aus, dass er viel Geld ›gemacht‹ hat. Er hat etwas aus seinen Möglichkeiten gemacht. Zu einer Krankenschwester, oder einer Kindergärtnerin/Erzieherin sagen wir so etwas nicht. Oder zu unserem Postboten, der seit 40 Jahren regelmäßig, zuverlässig die Briefe bringt. Erfolg = Geld!
Vorbild für unsere Geldorientierung sind Unternehmen. Gewinn wird dort als oberstes Ziel ausgeschrieben. Erfolgreiche Unternehmen werden nach Bilanzgewinn, Bilanzsumme beurteilt. Ob ein Unternehmen für die Gemeinschaft wertvolle Produkte erstellt, wichtige Dienstleistungen erbringt, interessiert nicht.
Selbst Henry Ford, dem die Fließbandproduktion zugeschrieben wird – ein kapitalistischer Meilenstein – sagte zum Thema Erfolg und Geld (es steht noch heute auf deren Homepage):
»A business that makes nothing but money is a poor business.«
Jim Collins und Jerry I. Porras (‚Built to last‘) haben langfristig erfolgreiche Unternehmen untersucht. Elementar verbindet diese Unternehmen die Verfolgung einer Vision, die Vermittlung eines Sinns – welcher nicht im Geld liegt.
»Profitability is a necessary condition for existence and a means to more important ends, but it is not the end in itself for many of the visionary companies. Profit is like oxygen, food, water, and blood for the body; they are not the point of life, but without them, there is no life.«
Unternehmen prägen unsere Kultur, prägen die Menschen. Vor über 70 Jahren brachte Erich Fromm die Auswirkungen auf den Menschen in ‚Die Kunst des Liebens‘ (1941) auf den Punkt:
»Der moderne Kapitalismus braucht Menschen, die in großer Zahl reibungslos funktionieren, die immer mehr konsumieren wollen, deren Geschmack standardisiert ist und leicht vorausgesehen werden kann. Er braucht Menschen, die sich frei und abhängig vorkommen und meinen, für sie gebe es keine Autorität, keine Prinzipien und kein Gewissen – und die trotzdem bereit sind, sich kommandieren zu lassen, zu tun, was man von ihnen erwartet, und sich reibungslos in die Gesellschaftsmaschinerie einzufügen; Menschen, die sich führen lassen, ohne daß man Gewalt anwenden müßte, die sich ohne Führer führen lassen und die kein eigentliches Ziel haben, außer dem, den Erwartungen zu entsprechen, in Bewegung zu bleiben, zu funktionieren und voranzukommen.«
Beispiele aus der Gegenwart für seine Thesen:
- standardisierter Geschmack dank H&M, Hugo Boss, Armani & Co.
- die Schule soll uns aufs BERUFS-Leben vorbereiten, deshalb hilft G8 – noch schneller in den Beruf
- nur wer arbeitet, der funktioniert auch, sobald du nicht mehr arbeiten kannst, bist du krank (Alkohol ist bei uns solange kein Problem, bis du nicht mehr arbeiten kannst (funktionierst), dann bist du Alkoholiker)
Wir wundern uns über Menschen, die nur ihren persönlichen Reichtum maximieren. Wir wundern uns über Investmentbanker, die sogar Weltwirtschaftskrisen auslösen, damit der Bonus noch höher wird. Wir wundern uns über Manager, die zur Erreichung der Quartalszahlen Mitarbeiter entlassen. Wir wundern uns über ›erfolgreiche‹ Menschen unserer Kultur.
Der Dalai Lama wünscht sich keine erfolgreichen Menschen unser vorherrschenden, kapitalistischen Kultur:
»Der Planet braucht keine erfolgreichen Menschen mehr,
der Planet braucht dringend, Friedensstifter, Heiler,
Erneuerer, Geschichtenerzähler und Liebende aller Arten.Er braucht Menschen, die gut an in ihren Plätzen leben;
Menschen mit Zivilcourage, bereit, sich dafür einzusetzen,
die Welt lebenswert und menschlich zu gestalten.Diese Qualitäten haben wenig mit der Art Erfolg zu tun,
die in unseren Kulturen verbreitet ist.«
Woran du deinen Erfolg noch messen kannst, dazu hat Clayton Christensen (‚How will you measure your life‘) einen Vorschlag:
»Don’t worry about the level of individual prominence you have achieved; worry about the individuals you have helped become better people. This is my final recommendation: Think about the metric by which your life will be judged, and make a resolution to live every day so that in the end, your life will be judged a success.«
Jim Collins zieht zu Geld den Vergleich von Luft heran – wir brauchen es, um zu Leben. Lassen wir dies so stehen. Geld ist nicht der Sinn des Lebens. Geld kann den Sinn des Lebens weder bei Unternehmen, noch bei Menschen ersetzen.
Welchen Menschen schreibst du Erfolg zu – warum?