Mit Speck fängt man Mäuse, mit Eis Kinder und mit Leistungsanreizen Mitarbeiter? Glaubst du, dass Menschen nur wirklich für etwas arbeiten, wenn ihr Verdienst von ihrer Leistung abhängt?
Drei Zitate zur Belohnung zum Einstieg
»Wir müssen Dich mit Geldanreizen verführen, weil wir Dir sonst aus freien Stücken nicht zutrauen, dass Du die gewünschte Leistung erbringst.«
»Gegen Belohnung ist nichts einzuwenden, aber das ist etwas anderes als ein Bonus. Sie ist die Honorierung einer außergewöhnlichen Leistung im Nachhinein, das ist entscheidend. Die Belohnung darf nicht absehbar sein. Beim Bonus wird im Vornhineinfestgelegt, wie eine Leistung auszusehen hat, dadurch kommt es zu Fehlsteuerungen. (…)«
»Explizite Leistungsanreize zerstören gute Absichten.«
Machiavelli-Fehler
Samuel Bowles nennt dies den “Machiavelli-Fehler”, den Machiavelli in seinem Buch “Il principe” (“Der Fürst”) aus dem Jahre 1513 ausführte: Die Menschen seien schlecht und müssten zum Guten gezwungen werden. Er beschreibt damit das Menschenbild, welcher hinter dem Belohnungsprinzip steht.
Dieses Menschenbild lautet:
- Du bist faul.
- Du bist dumm.
- Du bist selbst nicht motiviert.
- Du tust alles nur für Geld.
- Dir kann ich nicht trauen.
- Du bist nicht selbstständig, du brauchst Hilfe, um zu erkennen, was du tun sollst.
Belohnung bewirkt das Gegenteil
Belohnung, variable Vergütung, Bonus und Anreizsysteme führen zur Bestätigung des eigenen Menschenbildes. Alle Annahmen treten ein. Du kommst zu dem Fehl-Schluss, dass dein Anreizsystem funktioniert.
Doch du hast Sicherheit, Vertrauen zerstört. Du hast dein Selbstvertrauen (dein Vertrauen in andere) zerstört und das Selbstvertrauen des Belohnten. Der Belohnte geht in die passive Rolle. Er wartet ab. Er überlegt sich, ob der Anreiz groß genug ist, um zu Handeln. Er handelt nicht aus sich selbst, sondern in Abhängigkeit von der Belohnung.
Belege für die These
1. Wissenschaftlich begründet
»Bei diesem Versuch wurde das Verhalten von 20 Monate alten Kindern beobachtet. Die Kinder sahen einen Mann mit vielen Büchern, der versuchte eine Türe zu öffnen. Kinder in diesem Alter helfen automatisch, so taten es auch die Kinder in diesem Fall.
Es gab drei Gruppen. Die erste Gruppe erhielt eine Belohnung, die zweite ein Lob, die dritte erhielt nichts.
Während der weiteren Versuchsreihe halfen die Kinder der zweiten und dritten Gruppe auch weiterhin, während die Kinder der ersten Gruppe ihre Hilfe nur noch gegen eine Belohnung in Aussicht stellten. Die natürliche Hilfsbereitschaft hat sich in eine bedingte Hilfsbereitschaft verwandelt.«
Von Michael Tomasello vom Leipziger Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie.
2. Aus dem Leben (1)
»In einem Park saß seit Jahren eine ältere Frau auf einer Parkbank. Sie saß dort jeden Tag um die gleiche Zeit und beobachtete die Vögel, die Menschen und ließ die Zeit verstreichen. Eines Tages kam eine kleine Gruppe von Jungs in den Park und sah die Frau auf der Parkbank sitzen. Ihnen war langweilig und so beschlossen sie, die Frau zu ärgern. Und das gelang ihnen auch. Die Frau ärgerte sich sehr über das Verhalten der Jungs und brachte dies auch verbal zum Ausdruck.
Am nächsten Tag kamen die Jungs wieder. Und es wiederholte sich der Vortag. Der Ärger der alten Frau belustigte die Jungs. Und die nächsten Tage immer das gleiche Schauspiel.Die Frau war verzweifelt, so gerne saß sie in ihrem Park. Sollte sie es aufgeben?
Da hatte sie eine Idee!
Am nächsten Tag ging sie in den Park. Die Jungs kamen auch wieder und begannen die Frau zu ärgern. Sie nahm es hin und erduldete die Neckereien. Irgendwann ließen die Jungs von ihr ab und wollten gehen. Doch da sagte die Frau plötzlich: „Halt, wartet, ich möchte Euch für Eurer Tun belohnen, jeder bekommt 1 Euro von mir“. Verdutzt schauten die Jungs, nahmen das Geld jedoch gerne an.
Am folgenden Tag saß die Frau wieder im Park. Und die Jungs kamen wieder um sie zu ärgern, dieses Mal sogar noch lieber, da sie am gestrigen Tag sogar Geld dafür bekommen hatten. So ärgerten sie die Frau und als sie von ihr abliessen erhielt jeder dieses Mal sogar 2 Euro.
Am dritten Tag das gleiche Schauspiel. Nur das es dieses mal 5 Euro für jeden gab. Die Jungs waren ausser sich vor Freude.
Und so kam der vierte Tag. Die Frau saß im Park, die Jungs spielten ihr Spiel mit ihr und wartet gespannt wie viel Geld es dieses Mal gab. Doch zu ihrem entsetzen gab ihnen die Frau kein Geld mehr. Sie sagte, ab heute gibt es kein Geld mehr.
Da sprach einer der Jungs zu ihr: „Wir sind doch nicht blöd, wenn Du uns nicht mehr bezahlst, dann kommen wir einfach nicht mehr!“
Ab diesem Tag saß die Frau wieder in Ruhe im Park.«
3. Aus dem Leben (2)
Belohnungen spielen in der Erziehung von Kindern manchmal eine große Rolle. Zum Beispiel wenn es um das Aufräumen des Zimmers geht. Das Motto könnte sein: „Wenn Du Dein Zimmer aufräumst, dann darfst Du oder dann bekommst Du …“. Im ersten Schritt kann es sogar funktionieren. Und ziemlich schnell merkt das Kind, dass je länger es mit aufräumen wartet, desto größer die Belohnungen werden. Am höchsten ist die Belohnung, wenn ein großes Fest oder Weihnachten vor der Türe steht und Verwandte oder Freunde zu Besuch kommen. Also lernt das Kind, dass es lohnenswerter ist nicht aufzuräumen, bis die maximale Belohnung ausgerufen wurde.
Wenn Weihnachten vorbei ist, dann verlottert das Zimmer wieder und das Spiel beginnt von Neuem.
Und was im Kinderzimmer funktioniert, klappt auch wunderbar im Berufsleben.
So kann es sein, dass eine Abteilung ihre vereinbarten monatlichen Ziele nicht erreicht und die Geschäftsführung unruhig wird. Die Mitarbeiter wissen, dass die von oben spätestens im Mai/Juni mit den ersten Belohnungen für die Zielerfüllung kommen. Und dann macht es erst richtig Spaß die Ziele zu erreichen, weil es dann noch Fernseher, Reisen, Gutscheine für die Arbeit gibt (die ist sowieso unterbezahlt). Die richtigen Profis in dieser Liga warten jedoch weiter verhalten ab, denn sie wissen, dass die Prämien ab September und Oktober noch größer werden, dann geht es um die Jahresziele (also Weihnachten).
Am Jahresende sind dann alle Ziele erreicht, die Mitarbeiter der Abteilung sind glücklich und die Geschäftsleitung auch, beide haben ihre Ziele erreicht. Nur das die einen wissen, dass es nächstes Jahr ebenso funktionieren wird, während die anderen hoffen, dass es nächstes Jahr mit weniger Belohnung funktioniert.
4. Aus der Vergangenheit
In Frankreich wütet die Pest. Ratten tragen zu deren Verbreitung entscheidend bei. Deshalb wird für jede tote Ratte eine Belohnung bezahlt. Die Menschen fangen an Ratten zu züchten.
Durch Belohnung verwandeln wir intrinsische Motivation in extrinsische Motivation. Wir nehmen dem Belohnten die Freude am Tun, und geben ihm statt dessen die Freude an der Karotte vor seiner Nase.
Alfie Kohn (Liebe und Eigenständigkeit, S. 44) schreibt dazu passend: »Je mehr jemand dafür belohnt wird, etwas zu tun, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass er das Interesse an dem, was er tun musste, um die Belohnung zukommen, verliert.«
Belohnungen schwächen den Belohnten und erhöhen die beiderseitige Abhängigkeit. Belohnung ist ein Zeichen von Schwäche. Schwäche von dem, der sie annimmt und Schwäche von dem, der sie gibt.
Eigenverantwortliche und selbstwirksame Menschen möchten keine Belohnung, keine Karotte vor der Nase, sondern Vertrauen, Respekt, Unterstützung und Freiräume.
Brauchst du von anderen eine Belohnung? Glaubst du, dass Andere von dir belohnt werden wollen?