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Vergleichst du dich mit anderen?

Vergleiche prägen dein Leben. Als Baby wirst du in Vorsorgeuntersuchungen nach Gewicht, Größe usw. mit dem Durchschnitt verglichen. In Kindergarten, vor allem in der Schule sind Vergleiche an der Tagesordnung. Es gibt einen Klassendurchschnitt, eine durchschnittliche Erwartung an Lerntempo, Aufmerksamkeit, Lernfortschritt. Warum vergleichst du dich, was bewirkt es bei dir?

Als soziales Wesen bewegst du dich in sozialen Netzwerken. In sozialen Netzwerken wird Identität ausgehandelt, zugewiesen, übernommen. Vergleichen ist eine Möglichkeit Identität auszuhandeln. Durch Vergleiche erkennst du deine Stellung im sozialen System. Du weißt, dass du der Klassenbeste bist, dass du beim Weitsprung im Mittelfeld liegst und die Klarinette nicht gut spielst.

Dies gibt dir Sicherheit, du weißt, wer du in den Augen der Anderen bist. In Kombination mit den Werten des sozialen Netzwerks nimmst du deinen Platz ein – oder er wird dir zugewiesen. Du erkennst, welchen Bedeutung du in diesem sozialen Netzwerk besitzt.

Was bringt dir die genaue Position deines Sein in dem sozialen System? Schaust du mit Verachtung auf diejenigen, die nicht Klassenbeste sind? Empfindest du Neid auf bessere Weitspringer? Wertest du den besseren Klarinettenspieler ab, indem du deine Leistung in Bezug auf dein geringes Üben schiebst (Motto:« ich könnte ja, wenn ich wollte …“)?

Das Gute für dich ist, dein Leben wird durch Vergleichen leichter. Du gibst die Verantwortung für dein Sein teilweise ab und hast einen relativ stabilen Platz im sozialen Netzwerk – du gehörst dazu. Solange sich keine wesentlichen Faktoren verändern, bist du der Zugehörigkeit zum Netzwerk sicher.

Du lernst, welche Erwartungen du zu erfüllen hast. Du lernst, was ›gut‹ und was ›schlecht‹ in diesem System ist. Du lernst, dass es für deine Stellung förderlich ist, wenn du bei den Vergleichen besser als andere bist. Du hast das Wettbewerbsprinzip angewendet. Im Kopf speicherst du ein Bewertungsraster für Menschen.

Am schlimmsten ist allerdings, dass du durch das Vergleichen die Freude am Spiel verlierst. Du verlierst das Tun des Tuns willen. Du lernst nicht mehr für dich, sondern um deinen Status zu erhalten, zu verbessern. Du springst mit der Gewissheit ein durchschnittlicher Springer zu sein – bestätigst und beschränkst dich mit jedem Sprung. Dein Klarinettenspiel kommt nicht mehr vom Herzen, sondern ist ein Versuch einen Anderen zu übertrumpfen – oder du hörst auf zu spielen.

Vergleiche machen dich unglücklich. Was für dich negativ ist, ist für die Wirtschaft wichtig. Unglückliche Menschen sind bessere Konsumenten. Unglückliche Menschen brauchen Ersatzbefriedigungen. Du kaufst dir eine bessere Klarinette, neue Turnschuhe mit Boost-Effekt, das neuste Ipad …

Es macht dich unglücklicher, ärmer. Dabei vergisst du eine wesentliche Tatsache allen Vergleichens:

»Wenn wir eines Weges gehen und einem Menschen begegnen, der uns entgegenkam und auch eines Weges ging, kennen wir nur unser Stück, nicht das seine, das seine nämlich erleben wir nur in der Begegnung.«

Martin Buber, ‚Ich und Du‘

Du machst eine Fahrradtour, kurz vor Ende deiner kleinen Reise überholt dich ein älterer Herr mit seinem Fahrrad. Was denkst du? Vergleichst du dich? Verurteilst du dich, weil ein älterer Herr dich überholt?

Weißt du wie viele Jahre er schon Rad fährt? Weißt du, ob er seine Tour erst begonnen hat und was er noch vor sich hat? Die gemeinsamen 500 Meter auf der Straße sind dein Maßstab, dich zu vergleichen. Der kurze Ausschnitt aus der Realität bestimmt deine Bewertung der Situation.

Bist du der, der andere überholt, fühlst du dich gut, du denkst, heute bin ich gut drauf. Wer sagt dir, dass der andere nicht schon 5 Stunden Rad gefahren ist, dass er durch eine mehrwöchige Krankheit geschwächt ist?

Vergleiche berücksichtigen oft nur einen Ausschnitt der Realität, sie verkennen den Gesamtzusammenhang.

Menschen zu vergleichen ist sinnlos. Jeder hat seine Geschichte, seine Fähigkeiten, seine Art und Weise die Realität wahrzunehmen. Diese Unterschiedlichkeit der Menschen ist wertvoll. Sie macht das Leben bunter. Sie gibt jedem die Chance sein Potenzial zur Entfaltung zu bringen, aus seine Art und Weise, in seinem Tempo.

Alternativ kannst du Vergleiche nutzen, um die Unterschiedlichkeit der Menschen zu erkennen, zu würdigen.

Zum Schluss Martin Buber:

»Sodann aber verlangt es einen Mal um Mal, seinem Mitmenschen zu danken, selbst wenn er nichts Besonderes für einen getan hat. Wofür denn? Dafür, dass er mir, wenn er mit begegnete, wirklich begegnet ist; dass er die Augen auftat und mich mit keinem anderen verwechselte; dass er die Ohren auftat und zuverlässig vernahm, was ich ihm zu sagen hatte; ja, dass er das auftat, was ich recht eigentlich anredete, das wohlverschlossene Herz.«<

Martin Buber

Jeder Vergleich macht dein Leben ärmer, grauer, abhängiger. Beobachte wann und wie du dich vergleichst, lasse dich von dir überraschen. Du wirst stauen, wie unterschiedlich Menschen sind, wie bunt die Welt ist.