„Der Träumer ist dem Tatmenschen nicht etwa überlegen, weil der Traum der Wirklichkeit überlegen wäre. Die Überlegenheit des Träumers besteht vielmehr darin, daß träumen praktischer ist als leben und er aus dem Leben einen viel umfassenderen und vielfältigeren Genuß zieht als der Tatmensch. Besser und genauer gesagt: der Träumer ist der eigentliche Tatmensch.“, S. 102
„Ich lebe immer in der Gegenwart. Die Zukunft kenne ich nicht. Die Vergangenheit gehört mir nicht mehr. Die eine lastet auf mir wie die Möglichkeit zu allem, die andere wie die Wirklichkeit von nichts.“, S. 113
„Das Leben ist für uns das, was wir in ihm sehen. Für den Bauern, dem sein Feld alles bedeutet, ist dieses Feld sein Imperium. Für den Cäsar, dem sein Imperium nicht genügt, ist dieses Imperium ein Feld. Der Arme besitzt ein Imperium; der Große besitzt ein Feld. Tatsächlich besitzen wir einzig unsere eigenen Wahrnehmungen; auf sie und nicht auf das, was sie sehen, müssen wir demnach die Wirklichkeit unseres Lebens gründen.“, S. 114
„Jeder, der heute liebt, es sei denn, er besitzt die moralische Status und das geistige Profil eines Pygmäen oder ungeschlachten Menschen, liebt, wenn er liebt, romantisch. Die romantische Liebe ist ein verfeinertes Produkt jahrhundertelangen christlichen Einflusses; sowohl die Substanz als auch die Entwicklungsstadien dieser Liebe lassen sich, will man sie einem Unwissenden erklären, mit einem Kleidungsstück oder Kostüm vergleiche, das Seele oder Phantasie schneidern, um es all jenen anzuziehen, die ihren Lebensweg kreuzen und von denen der Geist glaubt, es passe ihnen.“, S. 121
Alle Zitate aus Fernando Pessoa, ‚Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares‘