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Nur wenn ich mich habe, kann ich mich dir geben

Ich liebe Dich. I love you. Je t’aime. Ein oft ausgesprochener Satz. Ein Satz voller Hoffnung, voller Wärme, voller Erwartung, voller Routine? Ewig währende, immer glühende, feurige Liebe. So wird sie in Filmen dargestellt. In Filmen fliegen wir auch mit Raumschiffen in andere Galaxien oder wandern mit Frodo durch das Auenland. Mehr Realität über die Liebe, mehr Ehrlichkeit über die Liebe, eine freiere Liebe, davon spricht Ulrich Schaffer.

»Ich verspreche dir, dass ich dich nicht binden will.

Ob es mir immer gelingen wird, weiß ich nicht.
Aber ich will nicht, dass du im Zusammensein mit mir schrumpfst
und nicht die Person wirst, die du sein könntest.

Ich verspreche dir, dass ich alles tun werde,
soweit ich sehe und wo es mir bewusst wird,
um nicht zu einer Begrenzung für dich zu werden.

Und weil es die Rückseite der Medaille ist, verspreche ich dir,
dass ich mein Leben nicht von dir einschränken lassen will.
Ich will nicht weniger sein, als ich bin und ohne dich sein könnte.

Ich will dir nicht die Verantwortung für mein Leben in die Hände geben.
Ich bleibe weiter für mein Leben und für mein Glück verantwortlich.

Ich wünsche mir, dass meine Liebe zu dir dich immer zu dir selbst führt.
Ich weiß nicht, ob es mir immer gelingen wird, so zu leben, aber versuchen will ich es.
Ich weiß, dass du nur dann ganz bei mir sein wirst, wenn du wirklich bei dir selbst bist.

Ich wünsche mir ebenso, dass Deine Liebe zu mir erlauben wird, ich selbst zu sein
und dass deine Liebe mich zu mir selbst führt und nicht fort von mir.

Ich verspreche dir, dass ich alles dransetzen werde, bewusster zu werden.
Ich will mich selbst und dich und uns verstehen.
Ich will niemand anders für das Glück und Unglück meines Lebens verantwortlich machen,
sondern mich allein.
Ich will mich bemühen, dass mir das aufgeht, was ich benötige, um mein Leben zu meistern.

Ich verspreche dir, dass ich meine Bewusstwerdung nicht dem Zufall und den Umständen überlassen werde,
sondern dass ich sie aktiv verfolgen werde.
Ich weiß, dass andere an einem unbewussten Menschen leiden, und das will ich dir nicht antun.

Ich wünsche mir von dir Zuwendung deiner ganzen Person.
Das heißt für mich nicht, dass du keine Geheimnisse mehr haben darfst,
oder dass du mir alles mitteilen musst, was dich bewegt.
Aber ich will nicht neben dir her leben und nicht zählen.

Es kann Zeiten geben, wo dich etwas anderes gefangen nimmt –- vielleicht Dein Beruf, ein Hobby, eine Idee oder ein Mensch.
Ich werde üben, das zu verstehen, aber ich möchte nicht auf Dauer zu einer Randerscheinung in Deinem Leben werden,
und ich möchte dich ebenso nicht dazu machen, ganz gleich wie wichtig mir etwas anderes ist.

Wenn dies geschieht will ich aufmerken und meine Haltung zu dir prüfen.
Wenn wir uns jetzt entscheiden, auf diesen stillen, schleichenden Tod in einer Beziehung zu achten,
dann haben wir eine bessere Chance, die Gefahr zu spüren, wenn sie eintritt.

Ich verspreche dir, dass ich nicht will, dass du mir jemals gehörst, als wärest du zu besitzen
und als könnte ich über dich bestimmen, weil ich dich liebe.
Ich verspreche dir, dich auch dann noch zu respektieren,
wenn meine Liebe zu dir durch eine Auseinandersetzung oder etwas anderes verschwinden sollte.

Bevor du mein Partner bist, bist du ein Mensch mit Rechten, Freiheiten
und einem ganz eigenen und einmaligen Stil, dein Leben zu führen.
Ich will nicht vergessen, dass du erst ein Mensch bist, und dann mein Partner.
Erinnere mich daran, wenn ich es vergessen sollte.

Ich wünsche mir, dass wir in unserer Beziehung keine Angst haben,
andere Menschen in unser Leben mit aufzunehmen –- Männer und Frauen.
Ich will nicht mit dir in eine „“Einsamkeit zu zweit“ gehen. 
I
ch kenne zu viele Ehen und feste Beziehungen, in denen zwei in großer Einsamkeit leben,
weil ihre Eifersucht ihnen die Türen zu anderen Menschen verschließt.

Ich glaube, dass wir andere brauchen, um uns gegenseitig nicht über zu werden.
Auch wird es uns nicht gelingen, alles ineinander freizusetzen, was befreit werden will.
Wir brauchen andere in diesem Prozess der Menschwerdung.

Ich verspreche dir, dass für mich das Reden in unserer Beziehung immer eine wichtige Rolle spielen soll.
Ich will nicht zu denen gehören, die schweigen, weil sie es aufgegeben haben, aus ihrer Beziehung etwas zu machen,
und deren Schweigen so belastend geworden ist, dass sich nichts mehr entwickeln kann.

Und wenn ich einmal nicht mehr reden kann, dann will ich dir wenigstens mitteilen,
dass ich nicht reden kann, anstatt dich mit meinem Schweigen zu erpressen.
Auch wenn Worte nicht immer ausdrücken können, was uns bewegt,
so will ich doch nach Worten suchen, die deutlich machen, was mich bewegt.

Auch will ich lernen nicht kämpferisch zu reden, als würdest du gegen mich sein,
schon, ehe ich begonnen habe.
Ich will davon ausgehen, dass du mein Leben förderst und für mich bist.

Ich wünsche, dass es mir gelingt, das, was mich von dir trennt, als deine geheimnisvolle Andersartigkeit stehenzulassen.
Ich wünsche mir die innere Größe, dich nicht in mein Bild von dir hineinpressen zu wollen.
Aus deinem Inneren soll entstehen, wer du sein wirst, nicht aus einem Druck den ich auf dich ausübe.

Ich wünsche mir, dass du dich ein Leben lang verändern kannst, auch wenn es mir viel abverlangt,
immer wieder etwas Neues über dich zu lernen.

Ich verspreche dir, dass ich auch mit dir noch ein eigener Mensch bleiben werde.
Ich werde mich selbst in unserer Beziehung nicht auslöschen und nicht auslöschen lassen.
Zuerst gibt es mich, wie ich bin, und dann erst gibt es mich als deinen Partner.
Nur wenn ich mich habe, kann ich mich dir geben.

Ich wünsche uns den Mut zur Leichtigkeit, mit der wir auch das Trennende manchmal einfach vom Tisch wischen können.
Vielleicht gelingt es uns, zu lachen, trotz aller Ernsthaftigkeit.
Ich wünsche mir Humor gerade, wenn mal etwas verfahren ist, und die Sicht die ein ganzes Leben im Auge hat,
nicht verloren geht in dem Moment mit seiner Not und Ausweglosigkeit.

Ich verspreche dir nicht, dass ich dich immer lieben werde.
Es wäre jetzt leicht, das zu tun.

Ich weiß nicht, wie es mir einmal mit dir gehen wird und was ich dann für dich fühlen werde.
Aber was ich dir verspreche, ist, dass ich nicht nur nach meinem Gefühlen gehen werde,
sondern nach meiner Entscheidung, mein Leben mit dir zu leben. Darum werde ich da sein.

Ich glaube, dass der Satz „„Ich will dich lieben“ ein größerer und wichtigerer Satz ist als der „„Ich liebe dich“.
Und den Satz „“Ich will dich lieben“ sage ich jetzt, mit Entschiedenheit, aber auch mit Zittern.«

~ Ulrich Schaffer

Ich will Dich lieben, ein ehrlicher Satz, ein Satz aus der Erkenntnis über das Leben, ein Satz ohne Hollywood-Glamour, ohne Heile-Welt-Garantie, ein Satz aus dem Leben, für das Leben, für eine aufrichtige, ehrliche, offene Liebe im Sinne eines Tätigseins. Eine Liebeserklärung voller Achtsamkeit, im Jetzt formuliert, aus tiefem Herzen.

Abschlussfrage

Wie viel Sicherheit brauchst du in der Liebe? Wie viel Sicherheit hast du in der Liebe zu dir selbst?