Paul Virilio spricht von Dromokratie, der Diktatur der Geschwindigkeit in unserem Leben. Hier ein kurzer Einblick in die Auswirkungen:
„Steigende Effizienz in der Produktion bedeutet, dass jedes Individuum mehr Waren pro Stunde herstellen muss; steigende Produktivität bedeutet, … dass wir mehr Güter konsumieren müssen, um die Produktion am Laufen zu halten. Freie Zeit verwandelt sich in Konsum-Zeit, weil Zeit, in der man weder produziert noch konsumiert, in steigendem Maße als verschwendet gilt. Der steigende Wert der Zeit (ihre wachsende Knappheit) erscheint subjektiv als eine Temposteigerung. Wir sind immer in Gefahr, am Fließband zu langsam zu arbeiten oder zu spät zur Arbeit zu kommen; und in unserer Freizeit sind wir immer in Gefahr, Zeit zu verschwenden.“
„Je entwickelter ein Land ist, desto weniger freie Zeit bleibt pro Tag.“
Und wie hängen Hyperaktivität und Burn-Out mit der Dromokratie zusammen?
Wilhelm Höck dazu:
„Ich würde sagen, der Zwang, immer schneller zu werden, rührt daher, dass ich immer intensiver das Gefühl hab, was ich eigentlich tu, ist nichts Rechtes, ich müsste was Besseres tun. Aber mir fällt nichts Besseres ein, mir fällt immer nur was Schnelleres ein. Das ist der letzte Punkt: dass die Geschwindigkeit uns in unserer Humanität, soweit sie noch vorhanden ist, beschädigt. Denn erst wenn man sich Zeit lässt, erfährt man etwas von den Dingen. Ich erinnere immer mal wieder daran, dass das griechische Wort »scolae«, wo die Schule herkommt, eigentlich „Muße“ hieß, und das mittellateinische scola hieß auch noch „Muße“, aus der Erfahrung heraus, wenn man sich Zeit lässt, dann lernt man wirklich die Dinge kennen. Was wir betreiben, ist ein flüchtiges Drüber-Hinweg-Huschen.“
Treffend hier eine Aussage, wer eigentlich unser Tempo vorgibt!
„Dass der Mensch dabei fast schon dysfunktional und unzulänglich geworden ist in der high-speed-Wirklichkeit der High-Tech-Welt, verschärft sogar noch die Problematik. Dass die ultraschnellen Maschinen und Systeme längst den Ton, sprich das Tempo der Lebenswelt angeben und nicht länger der Mensch, der einfach nicht mehr hinterherkommt.“
Fast schon zukunftsweisend, apokalyptisch die Schlussfolgerung von Bernd Guggenberger:
„Es könnte auch ganz anders sein, dass die Entwicklung längst Eigendynamik-Charakter gewonnen hat. Dass der Mensch sozusagen als das letzte Bollwerk der Langsamkeit und Gemächlichkeit existiert. Und da könnte die Frage sein, ob wir nicht längst als Störenfriede identifiziert sind, ob uns diese Systeme immer mehr ausscheiden, an den Rand drängen. Es gibt unendlich viele Evidenzen, die ich gar nicht alle aufzählen kann. Nehmen Sie das Kernkraftwerk. Ins innerste Innere eines Kernkraftwerkes kommt natürlich kein Mensch mehr, das ist für ihn selber, vor allem aber für das System viel zu gefährlich. Da ist der Mensch exkludiert. Auch aus dem Cockpit wird der Mensch demnächst völlig ausgeschlossen sein. Er hat er nichts mehr dort verloren, wo er Schaden anrichten kann. Wir werden immer mehr abserviert, weil wir nicht gebraucht werden. Immer weniger Menschen werden gebraucht. Der Mensch ist längst als Störfaktor, als Verlangsamer identifiziert, muss deshalb mit seinen störenden Bedürfnissen, soweit es immer geht, neutralisiert werden.“
Irgendwann ist alles so optimiert, dass der Mensch einfach stört!
Alle Zitate aus:
Gas geben! Leben im sozialen Tempodrom, SWR Podcast vom 24.04.2007