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Hast du dich heute schon geärgert?

Es gibt Situationen in meinem Leben, die mich ärgern. Jemand nimmt mir die Vorfahrt. Ein Gesprächspartner erscheint zu spät zum Termin. Eine fällige Zahlung kommt nicht. Eine Person sagt etwas, dass mich trifft. Wahrscheinlich kennst das Gefühl des Ärgers. Was löst Ärger in dir aus? Was spürst du, wenn du dich ärgerst? Worüber ärgerst du dich am meisten, am häufigsten?

Selbstverständlich kann es sein, dass der Ärger dein Leben bereichert. Dass du dich gerne ärgerst, weil du mit Familie, Freunden, Bekannten über deinen Ärger sprechen kannst. Negative Emotionen können sehr verbindend sein. Sich gemeinsam auszulassen, wie schlimm es in der Firma ist, dass schweisst zusammen. Oder immer wieder über die niederträchtige Schwiegermutter herzuziehen, schafft emotionale Begegnungen.

In diesem Fall ist es wichtig, dass du dich nicht veränderst, sondern den Anderen (sei es Mensch oder Ding) nicht aus seiner ‚Schublade‘ (‚die niederträchtige Schwiegermutter‘, ‚der fiese Chef‘, ‚die lieblose Ehefrau‘ …) herauslässt. Jede Veränderung des Anderen deutest du als Strategie, um dich zu täuschen. Jede Veränderung des Anderen bestätigt dich in deiner Sicht der Welt. Eric Berne hat dies in seinem Buch ›Spiele der Erwachsenen‹ wundervoll umschrieben.

Dein Ärger macht dich unzufrieden? du möchtest ihm gerne anders begegnen?

Auslöser für deinen Ärger sind meist andere Menschen oder Dinge. Das Programm auf deinem Computer tut nicht, was du gerne möchtest – also grollst du dich. Du investierst Zeit in deinen Ärger. Du investierst Energie in deinen Ärger. Du verstärkst negative kognitiven Verbindungen in deinem Gehirn durch deinen Ärger. Und die Software, die interessiert es absolut nicht, dass du dich stresst.

Die Dinge verhalten sich nicht so, wie du es möchtest?  Wähle zwischen drei Einstellungen:

  • Liebe das Ding, wie es ist
  • Verändere deine Erwartung oder dein Handeln
  • Trenne dich von dem Ding

Du kannst das Ding annehmen, wie es ist. Euripides (vor ca. 2.500 Jahren) sagte:

»Man soll sich nicht über die Dinge ärgern, denn das ist ihnen völlig egal.«

Euripides

Du kannst deine Erwartungshaltung an das Ding anpassen. Auch wenn du erwartest, dass dein Computer schneller sein sollte, ändert diese Erwartung die Geschwindigkeit des Computers nicht. Im Gegenteil, du wirst jedes Warten als negatives Signal deuten und deinen Ärger dadurch verstärken.

Du kannst dein Verhalten mit dem Ding variieren. Solltest du Gemüse mit einem Messer schneiden, dich dabei verletzen, so wirst du vorsichtiger mit dem Messer umgehen. Du änderst dein Verhalten. Beim Beispiel des Messers klingt es logisch. Bei einer verschlossenen Türe ist die typische Reaktion dennoch ein wiederholtes drücken der Türklinke, immer kräftiger. Mehr von der gleichen Aktion mit erhöhter Kraft, keine Veränderung deines Verhaltens.

Du kannst dich von dem Ding trennen. Verschenke es, recycle es, tue etwas Gutes damit, nutze es nicht mehr. Das Leben ist zu kurz, um sich immer wieder über ein Ding zu ärgern.

Bei Dingen scheint es einfach zu sein, doch was ist, wenn du dich über Menschen ärgerst, über deren Tätigsein – oder Untätigsein?

Vielleicht glaubst du, dass du durch deinen Ärger dem Anderen mitteilen ‚musst‘, dass er sich zu verändern hat. Ärger als negative Kommunikation, die die Dringlichkeit der Botschaft unterstreicht.

Kinder, Jugendliche reagieren auf Vorwürfe (oft die Folge von Ärger) mit Trotz, mit Unverständnis, mit eigenem Ärger, mit Ignoranz. Erwachsene reagieren oft auf die gleiche Weise – doch Erwachsene können ihre wahren Gefühle besser unter dem Deckmantel der Höflichkeit, der sozialen Erwartungen/Normen verstecken.

Das hilft weder dem, der sich zuerst geärgert hat (da er intuitiv spürt, dass die Reaktion des anderen nicht glaubhaft ist, vergrößert sich sein Ärger) – noch dem, der sich angegriffen fühlt. Eine klassische lose-lose-Situation, beide verlieren. Tschuang Tse dazu:

»An seinem Ärger festzuhalten ist genauso wie eine glühende Kohle in die Hand zu nehmen, um sie nach jemanden zu werfen, du bist derjenige, der sich verbrennt.«

Tschuang Tse

Beide verbrennen sich, der sich ärgert und der, der unter dem Mantel der Höflichkeit seine wahre Reaktion verbirgt (und sich hier ärgert). Im schlimmsten Fall lässt einer den Ärger zu einem späteren Zeitpunkt an einem anderen Menschen aus, der gar nicht weiß, wie ihm geschieht. Alternativ kannst du ein Malusheftchen pflegen und dem Anderen bei passender Gelegenheit alle gesammelten Punkte „um die Ohren hauen“.

Was bleibt, wenn du dich über einen Mitmenschen ärgerst? Das gleiche wie bei Dingen:

  • Liebe den Menschen, wie er ist
  • Verändere deine Erwartung oder dein Handeln
  • Trenne dich von dem Menschen

»Love it, change it or leave it«-  die Kurzformel deiner Möglichkeiten. So einprägsam und logisch dies klingen mag, es führt an der Ursache für deinen Ärger vorbei. Du bist es, der deinen Ärger auslöst, der ihm Energie und Zeit schenkt. Weder Ding noch Mensch nährt deinen Ärger, du fütterst ihn.

Der Ärger ist ein Signal an dich, dass dich etwas getroffen hat. Ein Hinweis auf einen ‚blinden Fleck‘ von dir. Häufig hat es mit dem Selbstwertgefühl zu tun. Ein Ding oder ein Mensch verunsichert dein Selbstwertgefühl, bestätigt einen negativen (evtl. unbewussten) Glaubenssatz und bringt dich aus dem Gleichgewicht.

Spannender als »Love it, change it or leave it« ist die Frage, was in dir wurde durch das Ding oder den Menschen getroffen? Was wurde in dir erschüttert? Warum reicht Input von Außen, um dich zu erschüttern? Umgekehrt formuliert, wenn etwas in dir von Außen erschüttert werden kann, wurde es – meist unbewusst – von Außen auch oft bestätigt. Kritik und Lob, zwei Seiten einer Medaille. Wenn Lob dir innerlich gut tut und du dich über Kritik aufregst, sind dies deutliche Zeichen, dass der dahinter stehende Wert in dir kraftlos, unsicher ist.

Stelle dir die Frage, ob du selbst hinter dem Wert stehst, der erschüttert wurde. Vorbehaltlos dahinter stehst. Ich glaube, wenn du kraftvoll diesen Wert lebst, kann dich ein Ding oder ein Mensch nicht erschüttern. Lob zu diesem Wert tangiert dich nicht, ebenso eine Kritik. Du nimmst beides achtsam auf, schaust sie an – lässt es los.

Jeder Ärger ist eine Einladung zur Selbsterkenntnis. Dein Körper signalisiert dir eindrücklich, dass dort etwas ist, das sich anzuschauen lohnt. Jeder Ärger ist eine Möglichkeit dich selbst besser kennen zu lernen.

Hast du dich heute schon geärgert? Was will dir dein Körper damit sagen?