Kennst du Besprechungen die endlos dauern? Kennst du Diskussionen, die einem Western ähnlich sind? Statt zuzuhören, laden die beteiligten Personen bereits ihre „Pistole“ nach, obwohl der andere noch redet. Der andere wartet auf die nächste Atempause des Redners, um loszuschießen. Wann hast du zum letzten Mal erlebt, dass jemand durch einen anderen Beitrag sagte: „Stimmt, ich habe mich geirrt, du hast recht!“ Viele hören nicht zu, sie laden nach.
Es gibt Dinge im Leben, die wünschen sich sehr viele Menschen, z. B.
- jeder will geliebt werden
- jeder will gute Freunde haben
- jeder will Menschen, die einem zuhören
Die Kehrseite ist für viele schon schwieriger:
- du willst zwar geliebt werden, gibst jedoch anderen kaum Liebe
- du willst zwar Freunde haben, bist jedoch selbst oft kein guter Freund
- du willst das andere dir zuhören, doch hörst du selbst kaum zu
Und richtig zuhören, oder besser hin-hören ist gar nicht so einfach.
»Haben Sie je darauf geachtet, wie Sie zuhören? Egal wem, einem Vogel, dem Wind in den Zweigen, dem strömenden Wasser oder einem Selbstgespräch, dem Gespräch in verschiedenen Beziehungen: mit engen Freunden, Ihrem Mann oder Ihrer Frau. Wenn wir versuchen, zuzuhören, finden wir es außerordentlich schwierig, weil wir stets unsere Meinungen und Gedanken, unsere Vorurteile, unseren Hintergrund, unsere Neigungen und Impulse projizieren; wenn die vorherrschen, hören wir gar nicht auf das, was gesagt wird. Dieser Zustand ist wertlos. Zuhören – und Lernen – ist nur in einem Zustand der Aufmerksamkeit, des Schweigens möglich, dem dieser ganze Hintergrund fehlt. Dann, so scheint mir, ist Kommunikation möglich.«
Ein schönes Beispiel über wirkliches zuhören ist in dem Film „Happy-go-lucky“ in Form der Hauptdarstellerin Poppy zu sehen. Sie hört noch wirklich zu, sie lebt im Augenblick, sie lebt Aufnahmebereit und schleppt nicht Meinungen und Gedanken oder Erwartungen mit sich. Herrlich erfrischen und gleichzeitig sehr ungewohnt.
Doch so etwas gibt es nicht nur im Film, auch Stephanie Quitterer hat diese Erfahrung gemacht, in ‚a temp’o, 08-2013, S.6-7 erzählt sie von ihren spontanen Besuchen mit Kaffee und Kuchen in der Nachbarschaft:
»Ich bin anfangs mit genau dieser Absicht losgezogen: herzufinden, natürlich augenzwinkernd, ob es einen Qualitätsunterschied gibt zwischen Ossi und Wessi, Vorderhauswohnenden, Hinterhauswohnenden, Ur-Berliner, Zugezogenen, Neu-Zugezogenen und so weiter. Ich habe sogar eine »Statistik« geführt. Ich wollte einen »Zusammenhang« herstellen – ein Gastgeber hat das mal auf „Arm gegen Reich“ runtergebrochen – gemessen an der Gastfreundschaft, die einem spontan Klingelnden entgegengebracht wird. Wie absurd das ist – abgesehen von der Aufgabenstellung -, merkt man, wenn man »Mensch« vor die Kategorien setzt: Mensch, der im Vorderhaus wohnt, Mensch, der in Berlin geboren ist, Mensch, der neu zugezogen ist. Natürlich reicht der Mensch weit über sein Prädikat hinaus. Ich will und kann also nichts Verallgemeinernderes mehr sagen, als dass mir 130 sehr verschiedene, allesamt bemerkenswerte Menschen die Türe geöffnet haben. Punkt.
…
Ab einem gewissen Punkt habe ich nicht mehr gewertet. Nur noch zugehört. Und ich konnte besser zuhören, als ich nicht mehr länger meine Spur verfolgt habe. Und der Gesprächsbedarf ist wirklich da! Es kann sehr wohltuend sein, einem Wildfremden, der vielleicht gar nichts sagt und nur zuhört, etwas zu erzählen.«
Mehr über ihre Erfahrungen unter http://hausbesuchwins.wordpress.com/
Und was passiert oft in der Realität, in unseren Gesprächen (aus ‚Dialog als Kunst gemeinsam zu denken‘, S. 28)?
»Die Leute hören nicht zu, sie laden nach!«
Oder was würdest du sagen, wann hat dir zuletzt wirklich jemand zugehört? Bist du ein guter Zuhörer? Möchtest du, dass dir jemand richtig zuhört?
Zum Abschluss Lü-shih Ch’un Ch’iu:
»Die Menschen, die heutzutage die Worte anderer hören,
sind in vieler Hinsicht voreingenommen;
diese Voreingenommenheit bewirkt,
dass sie nicht hören, was gesagt wird.Der Hauptgrund für diese Voreingenommenheit
ist die Verhaftung an Zuneigung und Abneigung.Wer nach Osten ausschaut,
der sieht die Wand im Westen nicht;
wer nach Süden blickt,
der sieht den Norden nicht.
Seine Gedanken verlaufen allein
in einer bestimmten Richtung.«