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Brauchst du manchmal Trost?

Eines dieser Wörter, das langsam aus unserer Sprache verschwindet: ›Trost‹. Im ‚Deutschen Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm‘ gibt es viele Einträge, die ›Trost‹ betreffen. Im heutigen Duden nur noch wenige. Dabei hat Trost etwas heilendes, etwas milderndes, etwas mitfühlendes, etwas verbindendes – jeder Mensch braucht dies zum Leben. Brauchst du noch ›Trost‹?

Seien wir ehrlich, du brauchst keinen Trost mehr. Trost, das ist was für Kinder. ›Trost spenden‹ dürfen noch Krankenschwestern und Kindergärtnerinnen. Nur im Extremfall des Lebens, im Todesfall, versuchst du den Hinterbliebenen ›Trost zu spenden‹. Auch wenn dir dann die stimmigen Worte meist fehlen.

Ein paar Fragen zum ›Trost‹ in unserer Welt:

  • Warum glauben wir, dass Erwachsene keinen Trost mehr brauchen?
  • Ab welchem Alter brauchen Menschen keinen Trost mehr?
  • In welchen Situation darfst du noch trösten?
  • Brauchst du manchmal Trost?
  • Wie geht es dir, wenn du keinen Trost bekommst, obwohl er dir gut tun würde?

Trost verbindet den Menschen, der Trost spendet mit dem Menschen, der den Trost empfängt. Trost schafft Beziehung. Trost ermöglicht eine wirkliche Begegnung unter Menschen – Menschen mit Gefühlen, mit Schwächen, mit Bedürfnissen.

Zu den Zeiten des Grimmschen Wörterbuchs scheint ›trösten‹ häufig im Gebrauch gewesen zu sein. Wie damals, so durchlebt auch heute jeder Mensch Stunden der Freude und Stunden der Trauer. Heute ›trösten‹ wir kaum noch, was tun wir statt dessen?

Möglichkeiten zum Trost-Ersatz:

  • Essen: Schokolade, Fastfood
  • Fernsehen: Soaps, Talk-Shows, Serien
  • Konsumieren: Kleidung, Schuhe, Bücher
  • Medikamente: Ritalin, Schlaftabletten
  • Alkohol & Drogen: Wege aus deiner Wirklichkeit
  • Gewalt ausleben: Andere spüren lassen, wie es uns selbst geht

Was ist dein Trost-Ersatz?

Trost hat zwei Seiten. Die eine Seite steht für Trost spenden – die andere für Trost empfangen. Was fällt dir leichter, das Spenden oder das Empfangen? Den meisten fällt es leichter, Trost zu spenden. Doch das Spenden bleibt ohne ein Empfangen eine Geste ohne Begegnung. Dag Hammarskjöld  soll gesagt haben:

»Wer nie gelitten hat, weiß auch nicht, wie man tröstet.«

Dag Hammarskjöld

Um Trost zu empfangen, hilft es, wenn du Schwäche zeigst, deine dunklen Stunden teilst, die Mauern um dich nicht zu hoch baust. Ulrich Schaffer schreibt in seinem Buch ‚Grundrechte‘ (S. 31) treffend:

»Du hast das Recht,
deine dunklen Stunden zu durchleben
und dich nicht durch billige Sprüche
aus ihnen herauslocken zu lassen.
Schon der Versuch ist eine Entwürdigung
deiner inneren Wirklichkeit.

Du bist auch deine Dunkelheit.
Die Abgründe und Widersprüche
gehören auch zu dir.
Die Schatten geben deinem Leben
Tiefe und Menschlichkeit.
Wer mit dir in Beziehung tritt,
sollte wissen, dass diese Seite zu dir gehört.
Wer sie in dir ablehnt,
hat nicht das Recht,
sich deinen Freund und deine Freundin zu nennen.

Manche geben dir nicht das Recht
auf diese Seite in dir.
Sie erwarten, dass du sie unterschlägst
und das Glück vorspielst.
Vielleicht haben sie weniger Angst für dich
als für sich selbst, weil sie durch dich
an das Unoffene in sich selbst geraten.
Wenn sie darum dir helfen wollen,
geschieht es nicht, um dir zu helfen, sondern sich selbst.«

Ulrich Schaffer

Wer dich nicht in deiner Ganzheit als Mensch anerkennt, wer nur die guten Teile von dir möchte, macht dich zum Krüppel. Wer seine dunklen Stunden verschweigt, sie nicht mit anderen teilt, lässt die Beziehungen zu seinen Mitmenschen langsam austrocknen. Er macht sich selbst zum Krüppel.

Empfange Trost, indem du anderen die Möglichkeit gibst, dich auch in Momenten des Schmerzes, der Schwäche, der Niedergeschlagenheit, der Niederlage zu begleiten, dir wirklich zu begegnen.

Spende Trost, indem du …

  • für den anderen da bist, präsent bist
  • dein Handy ausschaltest
  • deine Aufmerksamkeit dem Anderen schenkst
  • innerlich still wirst
  • dem Anderen zuhörst, einfach zuhörst
  • ohne Gedankennetze, Bewertungen, Schubladen aus deinen Gedanken zu holen
  • den Anderen in den Arm nimmst
  • den Anderen in seinem Sein annimmst

›Trost‹, eines der Wörter, das langsam aus unserer Sprache verschwindet, wenn du es nicht mit Leben füllst.