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Die Stunde der leeren Hand?

Manchmal entdecke ich Worte, die mich faszinieren. So wie die Worte ›Stunde der leeren Hand‹, wundervoll. Doch lies selbst.

Dein Leben ändern

»Drei Worte erregen das Fieber. Drei Worte fesseln dich ans Bett: Das Leben ändern. Das ist das Ziel. Es ist klar, einfach. Der Weg, der zum Ziel führt, der ist nicht zu sehen. Die Krankheit ist das Fehlen des Weges, die Unklarheit der Richtung. Du stehst nicht vor einer Frage, du bist drinnen. Du selbst bist die Frage. Ein neues Leben, das ist es, was du wolltest, aber der Wille, der dem früheren Leben angehört, hat keine Kraft. Du bist wie jedes Kind, das eine Murmel in der linken Hand hinstreckt und nicht loslässt, ehe es in der rechten Hand das Geldstück dafür zu greifen bekommt. Du möchtest wohl ein neues Leben, aber ohne das frühere Leben zu verlieren. Du scheust den Moment des Übergangs, die Stunde der leeren Hand.«

Christian Bobin, Das Kind, der Engel und der Hund (Text leicht geändert)

Die Stunde der leeren Hand, welch‘ wundervolles Bild! Welch‘ klares Bild für Entscheidungssituationen im Leben. Das eine haben wollen, das andere nicht abgeben wollen. Wir wollen zu neuen Ufern, und wollen doch den sicheren Hafen nicht verlassen. Wir reden über schöne neue Welten, wir planen die Überfahrt, wir reden mit Leuten darüber, wir lesen über das neue Ufer, wir malen uns in Gedanken aus wie dort wäre, wir fangen an das heutige Ufer nicht mehr so toll zu finden, wir finden viele Gründe, warum wir endlich zu dem neuen Ufer fahren sollten.

Nur eines tun wir nicht – wir tun es einfach nicht. Statt dessen reden wir, reden wir – bis wir irgendwann feststellen, dass es zu spät sein könnte zu reisen.

Loslassen

»Ich ließ meinen Engel lange nicht los,
und er verarmte mir in den Armen
und wurde klein, und ich wurde groß:
und auf einmal war ich das Erbarmen,
und er eine zitternde Bitte bloß.

 

Da hab ich ihm seine Himmel gegeben, –
und er ließ mir das Nahe, daraus er entschwand;
er lernte das Schweben, ich lernte das Leben,
und wir haben langsam einander erkannt… «

Rainer Marie Rilke

 

Abschlußfrage

Was wirst du später mehr bereuen? Dinge, die du getan hast oder Dinge, die du nicht getan hast?